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08.06.2025

Mit dem richtigen Timing zu besserer Elektronik

Argon-Plasma in der Vakuumkammer beim Magnetron-Sputtern, mit dem Substrat in der Bildmitte.
Argon-Plasma in der Vakuumkammer beim Magnetron-Sputtern, mit dem Substrat in der Bildmitte. Bild: Empa
Wenn Bruchteile von Sekunden entscheiden: Empa-Forschende haben ein Verfahren für High-Tech-Dünnschichten entwickelt, in dem ein ausgeklügeltes Timing hochwertige funktionale Schichten bei niedriger Prozesstemperatur ermöglicht. Anwendungen für die neue Methode gibt es sowohl in der Halbleiter-Industrie als auch in künftigen Quanten- und Photonik-Technologien.

Unser Alltag ist so durchsetzt von Elektronik, dass wir sie kaum noch bewusst wahrnehmen. Beim beiläufigen Griff zum Smartphone denkt man kaum daran, wie komplex ein solches Gerät eigentlich ist. Hunderte von winzigen Komponenten spielen darin zusammen – jede davon ein hochpräzises Meisterwerk der Ingenieurskunst.

Zu diesen kaum wahrgenommenen Komponenten zählen Frequenzfilter. Sie stellen sicher, dass ein Gerät nur die richtigen Signale empfängt, sei es über WiFi oder über mobile Netzwerke. Jedes Gerät, das kabellos kommuniziert, enthält solche Filter. Häufig basieren sie auf sogenannten piezoelektrischen Dünnschichten. Piezoelektrische Materialien haben eine Besonderheit: Sie erzeugen eine elektrische Spannung, wenn man sie verformt, und verformen sich im Gegenzug, wenn man eine elektrische Spannung anlegt.

Neues Beschichtungsverfahren

Nebst Frequenzfiltern kommen piezoelektrische Dünnschichten für viele weitere Komponenten in der Mikroelektronik zum Einsatz, sei es als Sensoren, Aktoren oder winzige Energiewandler. Zusätzliche Anwendungen, etwa für Quantentechnologien, sind Gegenstand laufender Forschung. Eines ist jedoch klar: Damit solche Dünnschichten ihre Arbeit verrichten können, müssen sie eine hohe Qualität aufweisen. Je nach Zusammensetzung und Funktion der Dünnschicht braucht es dafür unterschiedliche Herstellungsverfahren.

Empa-Forschende aus der Abteilung «Surface Science & Coating Technologies» haben ein neues Beschichtungsverfahren für piezoelektrische Dünnschichten entwickelt. Das besondere daran: Mit ihrer Methode lassen sich die High-Tech-Schichten in sehr hoher Qualität auf isolierenden Substraten und bei relativ niedriger Temperatur herstellen – ein Novum. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in der Fachzeitschrift «Nature Communications» veröffentlicht und das Verfahren zum Patent angemeldet.

Neue Stärken für bekanntes Verfahren

Als Grundlage dient das Beschichtungsverfahren HiPIMS – «high power impulse magnetron sputtering». Dabei wird Material von einem Target auf ein Substrat abgeschieden, indem Prozessgas-Ionen (meist Argon) das Target beschießen und Atome herausschlagen. Diese Atome lagern sich auf dem Substrat als Dünnschicht ab.

Bei HiPIMS erfolgt dieser Prozess in kurzen, energiereichen Pulsen, wodurch viele Atome ionisiert werden und sich besser steuern lassen. Seit rund 20 Jahren wird das Verfahren für harte, widerstandsfähige Schichten genutzt.

Für piezoelektrische Dünnschichten war HiPIMS bisher ungeeignet, da beschleunigte Argon-Ionen aus dem Prozessgas im Material eingeschlossen werden können, was bei hohen Spannungen zu einem elektrischen Durchschlag führen würde. Die hohe Energie der Ioneneinschläge ist jedoch vorteilhaft, da sie eine bessere Kristallstruktur fördert.

Im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelte Jyotish Patidar eine Lösung: Die Spannung am Substrat wird genau getimed. Die schnelleren Argon-Ionen passieren das Substrat, bevor die Spannung anliegt, während die langsameren Target-Ionen dann beschleunigt werden. So werden nur die gewünschten Ionen auf das Substrat beschleunigt, ohne Argon-Einschlüsse zu verursachen.

Das Team um die Empa-Forscher Jyotish Patidar (links) und Sebastian Siol hat durch cleveres Timing die Herstellung von hochwertigen piezoelektrischen Dünnschichten mittels HiPIMS-Verfahren ermöglicht. Bild: Empa

«Elektronendusche» als Fluglotse

Mit diesem Kniff gelang es den Forschenden, erstmals hochwertige piezoelektrische Dünnschichten im HiPIMS-Verfahren herzustellen – gleichwertig oder sogar besser als mit herkömmlichen Methoden. Nun kam die nächste Herausforderung: Je nach Anwendung will man die Dünnschicht auf einer isolierenden Unterlage herstellen, etwa Glas oder Saphir. Ist das Substrat nichtleitend, kann aber keine Spannung daran angelegt werden. Zwar gibt es in der Industrie eine Möglichkeit, die Ionen trotzdem zu beschleunigen – aber auch sie führt oft zu Argon-Einschlüssen in der Schicht.

Hier gelang den Empa-Forschenden der Durchbruch. Um die Ionen auf das isolierende Substrat zu beschleunigen, nutzen sie den Magnetron-Puls selbst – den kurzen Impuls, der die Prozessgas-Ionen auf das Target schiesst. Das Plasma in der Kammer enthält nämlich nicht nur Ionen, sondern auch Elektronen. Jeder Puls des Magnetrons beschleunigt automatisch auch diese negativ geladenen Elementarteilchen auf das Substrat. Die winzigen Elektronen kommen dabei viel schneller als die Ionen am Ziel an.

Normalerweise ist diese «Elektronendusche» für den HiPIMS-Prozess nicht weiter relevant. Wenn die Elektronen am Substrat ankommen, verleihen sie ihm aber für einen Sekundenbruchteil eine negative Ladung – genug, um Ionen zu beschleunigen. Lösen die Forschenden einen nachfolgenden Magnetron-Puls im genau richtigen Zeitabstand aus, beschleunigt die Elektronendusche jeweils diejenigen Target-Ionen, die beim vorangehenden Puls «losgeflogen» sind. Und natürlich lässt sich das Timing auch hier so einstellen, dass nur die richtigen Ionen in der Dünnschicht landen.

Von Chips zu Qubits

Die Resultate überzeugen: «Mit unserer Methode konnten wir auf isolierenden Substraten genau so gute piezoelektrische Dünnschichten herstellen wie auf leitfähigen», resümiert Siol. Das Verfahren nennen die Forschenden «Synchronized Floating Potential HiPIMS», kurz SFP-HiPIMS. Der grosse Vorteil: Mit SFP-HiPIMS lassen sich piezoelektrische Dünnschichten in sehr hoher Qualität bei niedrigen Temperaturen produzieren.

Das öffnet neue Wege für die Herstellung von Chips und Elektronikkomponenten, die oft keine Temperaturextreme vertragen. Insbesondere das Verfahren für isolierende Substrate ist für die Halbleiterindustrie von Bedeutung: «Die Prozesse bei der Halbleiterherstellung sind so gestaltet, dass oft gar keine Möglichkeit besteht, eine elektrische Spannung am Substrat anzulegen», weiss Siol.

Mit seiner Forschungsgruppe widmet er sich als nächstes der Herstellung von ferroelektrischen Dünnschichten – eine weitere Schlüsseltechnologie in der heutigen und auch künftigen Elektronik. Ausserdem starten die Empa-Forschenden aufgrund dieses Erfolgs gleich mehrere Projekte mit anderen Forschungsinstitutionen, um ihre Dünnschichten in Anwendungen von Photonik bis Quantentechnologien zu bringen. Und schliesslich wollen sie das innovative Verfahren mit Hilfe von maschinellem Lernen und Hochdurchsatz-Experimenten noch weiter optimieren.

Empa/gg