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Kanton
17.05.2025

Weniger Jugenddelikte, aber mehr Extremfälle

2024 wurden im Kanton Zürich 6'290 Jugendliche straffällig – 5,4 % weniger als im Vorjahr. Auch die Jugendgewalt ging leicht zurück. (Symbolbild)
2024 wurden im Kanton Zürich 6'290 Jugendliche straffällig – 5,4 % weniger als im Vorjahr. Auch die Jugendgewalt ging leicht zurück. (Symbolbild) Bild: pixabay
Im Jahr 2024 ist die Jugendkriminalität im Kanton Zürich um 5,4 Prozent zurückgegangen. Im Bereich Jugendgewalt sank die Zahl der verzeigten Jugendlichen um 4,2 Prozent. Zugleich sah sich die Jugendstrafrechtspflege mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, insbesondere durch Fälle von Radikalisierung sowie durch immer jüngere Täterinnen und Täter.

Von den im Kanton Zürich lebenden 10- bis 17-jährigen Jugendlichen gerieten im vergangenen Jahr 6’290 mit dem Gesetz in Konflikt – ein Rückgang um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2023: 6’648). Auch die Jugendgewalt nahm ab: Insgesamt wurden 954 Jugendliche verzeigt – 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr (2023: 996).

Roland Zurkirchen, Leitender Oberjugendanwalt, ordnet diese Entwicklung jedoch differenziert ein: «Wir wissen, dass Jugendkriminalität wie auch Jugendgewalt in Wellenbewegungen verlaufen». Gesellschaftliche und geopolitische Ereignisse hätten einen starken Einfluss. «Im Mehrjahresvergleich stellen wir fest, dass rund 5 Prozent der Jugendlichen mit dem Gesetz in Konflikt geraten».

Strafen und Schutzmassnahmen 2024

Im vergangenen Jahr erliessen die fünf Jugendanwaltschaften des Kantons Zürich 5’041 Strafbefehle, in 51 Fällen erhoben sie Anklage bei den Jugendgerichten. Da es sich bei einem Grossteil der erledigten Fälle um leichte bis mittelschwere Delikte handelte – etwa Fahren ohne Billett oder kleinere Vermögensdelikte wie geringfügige Diebstähle und Sachbeschädigungen, waren auch die ausgesprochenen Sanktionen entsprechend gelagert.

Insgesamt verhängten die Jugendanwaltschaften 4’694 Strafen (2023: 5’524): In rund 64 Prozent der Fälle wurde ein Verweis ausgesprochen, vergleichbar mit einer gelben Karte im Fussball. Persönliche Leistungen und Bussen wurden in 15 bzw. 19 Prozent der Fälle angeordnet. Freiheitsentzüge machten 2 Prozent aus, Strafbefreiungen 0,1 Prozent beziehungsweise 5 Fälle.

Wie schon in den Vorjahren haben die Jugendanwaltschaften Gewaltstraftaten prioritär und im direkten Gespräch mit den Jugendlichen behandelt. 3’995 Strafbefehle (rund 79 Prozent) von minderschweren Delikten wurden schriftlich erlassen. Die Ausgaben für Schutzmassnahmen gingen auf 17,4 Mio. Franken zurück (2023: 19,3 Mio. Franken).

Verurteilungen 2024

2024 verurteilten die Zürcher Jugendanwaltschaften 25,7 % der straffälligen Jugendlichen wegen Verstössen gegen das Strassenverkehrsgesetz – deutlich mehr als im Vorjahr (16,6 %). Vermögensdelikte machten 15,8 % aus (2023: 17,8 %), Delikte gegen die Freiheit 5,4 % (2023: 5,3 %). Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz gingen weiter zurück auf 4,9 % (2023: 7,5 %). 3,7 % entfielen auf Gewalt-, 2,2 % auf Sexualdelikte.

Der Anteil weiblicher Jugendlicher unter den Verurteilten nahm leicht ab und lag bei 25,9 Prozent (2023: 28,2 Prozent). Jugendkriminalität bleibt damit weiterhin primär ein männliches Phänomen. Die Verurteilungen ausländischer Jugendlicher lagen 2024 mit 40,7 Prozent über dem langjährigen Mittel von rund einem Drittel.

Herausforderungen 2024

Zwei Radikalisierungsfälle sorgten 2024 für mediale Aufmerksamkeit: ein Angriff eines 15-Jährigen auf einen orthodoxen Juden in Zürich-Selnau im März sowie Terrordrohungen zweier Jugendlicher vor der Zürcher Pride im Juni. Die Jugendstrafrechtspflege stand dabei vor der Herausforderung, zwischen öffentlichem Interesse und dem Schutz der Jugendlichen sowie einer ungestörten Untersuchung zu vermitteln. Solche Fälle erfordern kantons- und länderübergreifende Zusammenarbeit, was die Ermittlungen zeitintensiv macht. Ziel bleibt die Deradikalisierung der Tatverdächtigen durch passende Massnahmen.

Zunehmend fordernd ist auch das Alter der Täter: 2024 waren fast 29 % der straffälligen Jugendlichen zwischen 10 und 14 Jahre alt (2019: 19 %). In dieser besonders prägbaren Phase stehen Schutzmassnahmen mit erzieherischem und therapeutischem Fokus im Vordergrund. Die Jugendanwaltschaften arbeiten dafür eng mit Eltern und dem sozialen Umfeld zusammen.

Jugendstrafrechtspflege in Bewegung

Als Roland Zurkirchen vor rund einem Jahr seine Stelle als Leitender Oberjugendanwalt antrat, setzte er sich das Ziel, die Jugendstrafrechtspflege fit für die Zukunft zu machen. Er präsentierte dazu drei inhaltliche Schwerpunkte, die unter den Mottos «Kümmern», «Fordern» und «Gestalten» stehen.

Neben verschiedenen internen Neuerungen zur Förderung einer neuen Diskussionskultur baut die Oberjugendanwaltschaft unter anderem die Fachstelle Mediation aus. Auf nationaler Ebene hat Zurkirchen zudem erwirken können, dass nach dem Vorbild der Schweizerischen Staatsanwaltschaftskonferenz ein gesamtschweizerisches Gremium für Entscheidungsträger im Jugendstrafrecht gegründet wird. Es soll seine Arbeit 2026 aufnehmen.

Zürioberland24/gg