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Kanton
11.02.2025

Regierungsrat befürwortet Sterbehilfe, lehnt Volksinitiative ab

Die Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» fordert, Sterbehilfe künftig auch in Spitälern und Justizvollzugsanstalten zu ermöglichen.
Die Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» fordert, Sterbehilfe künftig auch in Spitälern und Justizvollzugsanstalten zu ermöglichen. Bild: AdobeStock
Die Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende» fordert die Ausweitung der Sterbehilfe auf Spitäler und Justizvollzugsanstalten, was der Regierungsrat als zu weitreichend ablehnt. In seinem Gegenvorschlag unterstützt er jedoch die Sterbehilfe in allen Alters- und Pflegeheimen und geht damit auf das zentrale Anliegen der Initianten ein.

Nach intensiven Debatten beschloss der Kantonsrat am 31. Oktober 2022 mit knapper Mehrheit eine Änderung des Gesundheitsgesetzes zur Sterbehilfe. Der Regierungsrat schuf die gesetzlichen Grundlagen, und die Anpassung trat am 1. Juli 2023 in Kraft. Demnach können Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen, die von einer Zürcher Gemeinde betrieben oder beauftragt sind, in deren Räumlichkeiten auf eigene Kosten Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Private Heime ohne Leistungsauftrag einer Zürcher Gemeinde sind davon ausgenommen und folglich nicht dazu verpflichtet.

Ausdehnung auf weitere Insitutionen

Die Volksinitiative fordert nun eine Ausdehnung der Pflicht zur Duldung von Sterbehilfe auf weitere Institutionen bzw. eine Anpassung des Gesundheitsgesetzes sowie des Pati-entinnen- und Patientengesetzes. Diese soll nicht nur auf private Heime ausgeweitet wer-den, sondern auch für Spitäler inklusive psychiatrische Einrichtungen, ambulante Einrich-tungen wie Hausarztpraxen und Tageskliniken sowie für Institutionen des Justizvollzugs wie Strafanstalten gelten.

Begründung der Ablehnung

Der Regierungsrat lehnt die Volksinitiative als zu weitreichend und mit dem Grundauftrag der meisten Institutionen nicht vereinbar ab. Im Titel der Initiative werden nur Alters- und Pflegeheime genannt, der Initiativtext geht aber deutlich weiter.

Spitäler haben im Unterschied zu Alters- und Pflegeheimen eine kurative Ausrichtung – sie dienen der Gesundheitserhaltung und -wiederherstellung – und behandeln nicht primär Personen am Lebensende. Gemäss dem Initiativkomitee soll es den Menschen ermöglicht werden, dort zu sterben, wo sie ihre letzte Lebensphase verbracht, sich umsorgt und zu Hause gefühlt haben. Letzteres trifft auf Spitäler und ambulante Einrichtungen grundsätzlich nicht oder nicht in gleicher Weise zu wie auf Heime. Spitalpatientinnen und -patienten verfügen in der Regel noch über ein eigenes Zuhause.

Bei der Betreuung von Patientinnen und Patienten am Lebensende besteht die ärztliche Aufgabe in der Symptombehandlung und Leidenslinderung ohne bewusste Lebensverkürzung – im Sinne der Palliative Care. Die Ermöglichung des assistierten Suizids könnte daher im Widerspruch zur Palliative Care stehen. Zudem könnten sich ältere Patienten unter Druck gesetzt fühlen, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen, um Angehörige oder das Gesundheitssystem nicht zu belasten.

Grössere Risiken

Der Regierungsrat sieht noch grössere Risiken in der Duldung eines assistierten Suizids bei Patientinnen und Patienten in psychiatrischen Einrichtungen, da diese tendenziell suizidgefährdeter sind und ihre Urteilsfähigkeit auch stets situativ beurteilt werden muss. Der Zugang zur Sterbehilfe widerspricht klar dem Schutzauftrag dieser Institutionen, für eine Stabilisierung und Genesung der Betroffenen zu sorgen.

Justizvollzugseinrichtungen sind erst recht keine Institutionen, in denen sich mehrheitlich Personen am Lebensende aufhalten. Ihre primäre Aufgabe ist der Vollzug strafrechtlicher Sanktionen. Der Staat hat eine besondere Schutzpflicht gegenüber Inhaftierten, die auch den Schutz von Leben und Gesundheit umfasst und Suizide verhindern soll. In Ausnahmefällen ist assistierter Suizid im Strafvollzug jedoch bereits heute möglich, wenn eine urteilsfähige, schwerkranke Person am Lebensende keine Palliativbehandlung wünscht und eine vorzeitige Entlassung nicht infrage kommt.

Gegenvorschlag nimmt zentrales Anliegen auf

Der Regierungsrat unterstützt das Hauptanliegen der Volksinitiative, das Selbstbestimmungsrecht der Heimbewohnerinnen und -bewohner über die Autonomie der Institutionen zu stellen, eigenständig darüber zu entscheiden, ob sie Suizidhilfe in ihren Räumlichkeiten zulassen oder nicht. Daher befürwortet er, die Duldungspflicht auch auf private Heime auszudehnen.

Die Pflicht, Sterbehilfeorganisationen Zugang zu gewähren, schränkt die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Heime nach Ansicht des Regierungsrats nicht unverhältnismässig ein. Da diese nicht aktiv am assistierten Suizid mitwirken, sondern lediglich externen Organisationen den Zutritt ermöglichen oder tolerieren müssen.

«Die Initiative ist zu extrem und widerspricht dem Auftrag der Spitäler, den Patientinnen und Patienten in einem geschützten Umfeld die optimale medizinische und pflegerische Versorgung zu bieten. Jedoch unterstützen wir das Anliegen der Initiative, dass Bewohnerinnen und Bewohner von allen Heimen Zugang zur Sterbehilfe erhalten sollen», sagt Gesundheitsdirektorin und Regierungspräsidentin Natalie Rickli. Sie betont ausserdem die Verantwortung jedes Einzelnen, sich mit dem Sterben und möglichen Vorkehrungen wie einer Patientenverfügung auseinanderzusetzen.

Der Regierungsrat beantragt dem Kantonsrat, die Volksinitiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» abzulehnen und dem Gegenvorschlag zuzustimmen.

Zürioberland24/gg