Die Studie «Mutter unbekannt – Adoptionen aus Indien in den Kantonen Zürich und Thurgau, 1973 - 2002» zeigt exemplarisch auf, dass die damals verantwortlichen Stellen der beiden Kantone in der Mehrzahl der untersuchten Fälle die in der Schweiz geltenden Vorschriften nicht durchgesetzt hatten. Sie akzeptierten, dass ihnen zentrale Dokumente fehlten. Zudem liess der Kanton Zürich eine Vermittlungsstelle gewähren, die nicht über die nötige Bewilligung verfügte.
Adoptionen aus Indien mit Mängeln
Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass die Praxis bei Adoptionen aus Indien mit Mängeln behaftet war. Diese Mängel betrafen den gesamten Prozess. Sie begannen bereits vor der Aufnahme der indischen Kinder, setzten sich während des Pflegeverhältnisses fort und endeten beim Adoptionsentscheid.
Unter anderem gab es Fälle, in denen die Behörden einer Adoption zustimmten, ohne dass ihnen die in der Schweiz gesetzlich verlangte Verzichtserklärung der indischen Eltern beziehungsweise Mutter vorlag. Die Analyse von 48 Adoptionsfällen zeigt auf, dass es sich dabei um einen systematischen Mangel handelt, der auch für Indien-Adoptionen in anderen Kantonen relevant sein dürfte. Kurz: Wie das Beispiel Indien zeigt, nahmen die damals zuständigen Stellen der beiden Kantone im Zeitraum 1973 bis 2002 ihre Verantwortung im Bereich Auslandsadoptionen nicht im erforderlichen Mass wahr.
Landesweit adoptierten Schweizer Eltern zwischen 1979 und 2002 2278 Kinder aus Indien. 256 Adoptionen betreffen den Kanton Zürich, 30 den Kanton Thurgau. Die Ergebnisse der Untersuchung zu den Kantonen Zürich und Thurgau passen zu den Resultaten, die andere Studien mit kantonalem oder eidgenössischem Fokus ergeben haben. Auch diese zeigten Defizite im Bereich der Aufsicht bei internationalen Adoptionen auf.
Der vorliegende Forschungsbericht ergänzt seine Aussagen zur hiesigen Adoptionspraxis durch Befunde, die sich aus Recherchen in Indien ergeben haben, sowie durch Interviews mit Adoptiveltern und adoptierten Personen.