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Natur & Umwelt
06.08.2024

200'000 getötete Katzen pro Jahr

Hofkatze im Sommer 2024.
Hofkatze im Sommer 2024. Bild: zVg
Katzenleid ist in der Schweiz nicht im gleichen Mass sichtbar wie in anderen Ländern, aber deswegen nicht weniger gross.

Das Katzenelend wächst und wächst. Mit Katze Romina aus dem Zürcherischen Rafz verzeichnete die Tierschutzorganisation NetAP im Juli 2024 die viertelmillionste Kastration weltweit seit der Gründung. Doch trotz dieses erfreulichen Meilensteins in Sachen Leidverhinderung bleibe das Elend ungebrochen gross – leider auch in der Schweiz – so die Organisation.

Grosses Leid auch bei uns

Leid verhindern, bevor es entsteht, ist der Leitsatz der Schweizer Tierschutzorganisation NetAP. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Organisation vor allem auf umfassende Kastrationsprogramme in der Schweiz und im Ausland. «Während das Hunde- und Katzenleid in den Ländern Ost- und Südeuropas zum Alltag gehören, ist das Elend der Katzen in der Schweiz zwar nicht im gleichen Mass sichtbar, deswegen aber nicht weniger gross», so NetAP weiter.

«Politik macht nichts»

Bundesbern habe das Problem des Katzenelends in der Schweiz längst erkannt. Aber es fehle der Wille, etwas daran zu ändern. «Man verlässt sich darauf, dass nicht staatliche Organisationen wie NetAP dafür sorgen, dass das Tierleid nicht komplett ausartet. Damit schützt es einzig die gleichgültigen Verursacher des Problems.»

Etwa 1.9 Millionen Katzen leben heute laut NetAP in Schweizer Haushalten, Tendenz steigend. Katzen sind sehr fruchtbar und vermehren sich entsprechend rasant. Mangels einer staatlichen Kastrationspflicht werde sowohl in Privathaushalten als auch auf Höfen laufend vermehrt. Doch viele dieser Katzenkinder würden kaum älter als ein paar Tage.

200'000 getöteten Kätzchen pro Jahr

Katzen-Tötungen seien auch in der Schweiz an der Tagesordnung. Erschlagen, ertränken, erschiessen, vergiften, ersticken oder verhungern lassen seien dafür gängige Methoden. Neuste Hochrechnungen gehen von 200'000 getöteten Kätzchen pro Jahr aus. «Eine Schande für ein Land, das sich stets für sein angeblich gutes Tierschutzgesetz lobt.»

Die Katzenhaltung boomt in der Schweiz. Ein Grossteil der Halter mache sich aber kaum Gedanken über die Bedürfnisse dieser Tiere. «An jeder Ecke bekommt man herzigen Katzennachwuchs und den damit verbundenen kurzzeitigen Jö-Effekt kostenlos oder für wenig Geld», schreibt NetAP weiter. Passt das Tierchen dann nicht mehr in die aktuelle Lebensplanung, macht es zu viel Dreck oder verursacht plötzlich Mehr- oder unerwartete Kosten, werde es behandelt, wie man mit «Billigware» umgeht: Es wird entsorgt.

Auch Aussetzen ist wieder «in»

Aussetzen sei wieder hoch im Trend, insbesondere in den Sommermonaten, wenn die Ferien vor der Türe stehen und ein Cat-Sitter nicht verfügbar oder zu teuer ist. Da die Tierheime längst das ganze Jahr übervoll sind und/oder für die Abgabe eines Tiers eine – in den Augen der Tierhalter – «Entsorgungsgebühr» verlangen, kommen der Bauernhof, Schrebergarten oder der Wald doch sehr gelegen. Irgendjemand wird dem Tier dann schon Futter hinstellen oder die Natur «regelt» es.

«Paradoxerweise werden Tierschutzorganisationen und seriös arbeitende Tierheime beschimpft, weil sie nicht jedem ungeprüft ein Kätzchen aushändigen wollen.» Dabei könnten aktuell zum Beispiel rote Weibchen hundertfach vermittelt werden. «Man sucht sich ein Kätzchen wie ein Pullover aus», stellt Esther Geisser, Präsidentin von NetAP fest. «Nicht etwa der Charakter ist massgeben, sondern die Farbe gibt den Ausschlag!», bedauert sie.

Fundkatze «Heidi», Luzern im Juli 2024. Bild: zVg

Haltung von Katzen wird unterschätzt

Tierärzte und insbesondere Notfallkliniken stellten immer häufiger fest, dass die Halter kein Geld für ihre Tiere ausgeben wollen oder können. Zwar erscheinen sie immerhin noch in der Praxis mit dem Patienten, halten aber insbesondere bei grösseren Problemen schon zu Beginn fest, dass sie nicht bereit oder in der Lage sind, die Kosten zu tragen. Allzu oft ende die Tragödie mit der Euthanasie oder einer Verzichtserklärung.

«Die Haltung von Katzen wird leider viel zu oft unterschätzt, sowohl in Bezug auf die Bedürfnisse der Tiere als auch der zeitlichen und finanziellen Beanspruchung», beklagt Esther Geisser. «Wir bekommen wöchentlich mehrere Anfragen von privaten Tierhaltern, ob wir ihre Tierarztrechnungen oder die Tiere übernehmen würden. Unser Fokus liegt aber woanders und wir haben schon genug zu tun mit den herrenlosen und verwilderten Katzen und deren Kastrationen und Pflege.»

Kastrieren bildet den Schwerpunkt bei NetAP. «Kastrationen sind das einzige Mittel, die Überpopulation nachhaltig zu stoppen. Mit einer Viertelmillion Kastrationen in den verschiedenen Einsatzländern konnte sehr viel Leid verhindert werden. Doch ein Ende ist nicht in Sicht.»

Vorbild Schweiz

Die Schweiz könnte und sollte deshalb eine Vorbildrolle übernehmen, ist NetAP überzeugt. «Die Katze müssen wieder einen Wert bekommen!» wünscht sich Geisser. Dann, so ist sie sich sicher, würde man den Tieren auch wieder Sorge tragen und sich nicht ihrer Entledigen wollen, sobald sie Aufwand oder Kosten verursachen.

Sie gibt die Hoffnung nicht auf, dass Bundesbern irgendwann den Kopf aus dem Sand zieht und sich endlich seiner Verantwortung bewusst wird. Damit die alte Mär vom besten Tierschutzgesetz der Welt vielleicht doch noch eines Tages zur Wirklichkeit wird.

Romina darf bleiben

Der Hof in Rafz erfreut sich inzwischen eines durchkastrierten, gesunden Katzenbestandes. Romina und ihre Artgenossen, die alle eines Tages aus dem Nichts aufgetaucht sind, haben das Glück, dass sie auf verständnisvolle Landwirte stiessen und bleiben dürfen. Die Hoffnung bleibt, dass sich nicht weitere unkastrierte Katzen ansiedeln werden.

Freilassung von «Romina» im Juli 2024. Bild: zVg

NetAP – Network for Animal Protection

Telefon 044 202 68 68
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