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Fehraltorf
02.04.2024

Fehraltorf heizt und kühlt mit Holz und Wasser

Luftaufnahme aus Fehraltorf.
Luftaufnahme aus Fehraltorf. Bild: Kanton Zürich
Wärme und Kälte werden in Fehraltorf bald klimafreundlich erzeugt. Dem neuen Energieverbund, dem Fehraltorf zurzeit in Zusammenarbeit mit dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich realisiert, dienen erneuerbare Ressourcen als Energiequelle.

Dem neuen Energieverbund, dem Fehraltorf zurzeit in Zusammenarbeit mit dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich realisiert, dienen erneuerbare Ressourcen als Energiequelle: Holz, Abwasser und Flusswasser. Das thermische Netz werde über 90 % des Siedlungsgebiets umfassen und soll ab Herbst 2024 die ersten Häuser heizen, teilt der Kanton Zürich mit.

Die Arbeiten an der Energiezukunft sind in Fehraltorf seit einigen Wochen gut sichtbar im Gange. Im ehemaligen Bauernstrassendorf, das sich zur Agglomerationsgemeinde entwickelt hat, sind auf mehreren Baustellen die Bagger im Einsatz: In drei Etappen bis im Oktober 2026 werden die Hauptleitungen für ein neues Versorgungsnetz für Fernwärme und Fernkälte verlegt.

Klimaneutrale Energiequellen

In Zusammenarbeit mit dem Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz) entsteht in der Zürcher Oberländer Gemeinde ein Energieverbund, der auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist und auf regionale Wertschöpfung setzt.

Damit sollen jährlich 9300 Tonnen CO2 eingespart werden können, so die Mitteilung weiter. Als umweltfreundliche, klimaneutrale Energiequellen dienen gereinigtes Abwasser, Wasser aus dem Bach Kempt sowie Holzschnitzel aus den Wäldern der Region.

«Dadurch werden wir einen Grossteil der fossilen Energieträger Gas und Öl in Zukunft substituieren können», sagt Stefan Mathys, der als Leiter Werke und Infrastruktur auf Gemeindeseite für das Grossprojekt zuständig ist.

Keinen Abschlusszwang

Innerhalb des Verbundgebiets, das mehr als 90 % der Siedlungsfläche umfasse, können dereinst mehr als 1000 Haushalte und diverse Industrie- und Gewerbebetriebe beheizt respektive gekühlt werden. «Es gibt bewusst keinen Anschlusszwang. Die Liegenschaftenbesitzenden sollen frei entscheiden, ob sie dem Energieverbund beitreten möchten oder nicht», so Mathys.

Für den Energieverbund werden in Fehraltorf rund 13'000 Laufmeter Fernwärmeleitungen verlegt. Das Bild zeigt eine aktuelle Baustelle an der Allmendstrasse. Bild: Kanton Zürich

Ein erster Anlauf vor zehn Jahren scheiterte

Die Verantwortlichen der Zürcher Oberländer Gemeinde, die rund 7000 Einwohnerinnen und Einwohner zählt, befassen sich seit geraumer Weile mit einer nachhaltigen kommunalen Energiepolitik. Bereits im Jahr 2010 liess sich Fehraltorf ein erstes Mal als «Energiestadt» zertifizieren, so die Meldung des Kantons weiter. Damit verpflichtete sie sich, Ressourcen effizient zu nutzen und erneuerbare Energien sowie eine umweltverträgliche Mobilität zu fördern. Nach zwei Rezertifizierungen entschied der Gemeinderat in diesem Jahr auf Antrag der Werkkommission, das Label zurückzugeben. Mit der Überarbeitung des Energieplans legte der Gemeinderat 2024 seine umweltpolitischen Ziele fest und schuf die Grundlage für den neuen Energieverbund, mit dem Fehraltorf auch die Anforderungen künftiger Energiegesetzgebungen erfüllen wird.

Gemeinde setzt auf Contracting-Modell

Im Rahmen eines baulichen Grossprojektes – dem Neubau einer Mehrzweckhalle sowie dem Ersatzbau des Lehrschwimmbeckens auf der Schulanlage Heiget – wurde das Thema Energieverbund wieder aktuell. Ein externes Beratungsbüro klärte die Machbarkeit ab und führte eine Potentialstudie durch.

Aus der Contractor-Submission ging das ewz als Siegerin hervor. In Fehraltorf übernimmt der Energiedienstleister Planung, Realisierung und Finanzierung des Energieverbunds. Auch für Hausbesitzende entstehen keine Risiken: das ewz trage die Investitionen und technische Verantwortung.

Zwei Energiezentralen als Herzstücke

Im Zentrum des neuen Energieverbundes stehen zwei Energiezentralen. Die erste ist auf dem Areal «Heiget», wo sich Schule und Feuerwehr befinden. Sie umfasst einen bereits fertiggestellten Bunker für 650 Kubikmeter Holzschnitzel. Der Einbau eines 2,5-MW-Heizkessels, der Wärme für den Verbund liefert, erfolgt in diesen Tagen. Das zur Wärmegewinnung verwendete Holz stammt zu rund einem Drittel aus dem lokalen Forst – rund ein Viertel der 950 Hektaren Gemeindefläche ist Wald – der Rest aus Wäldern in der Region.

Die Energiezentrale «ARA» auf dem Gelände der Abwasserreinigungsanlage Fehraltorf-Russikon befindet sich in der Bauprojektphase: Die ersten Vorarbeiten sollen im April starten. Genutzt wird künftig eine Kombination aus Wärmepumpen und Kältemaschinen. Das gereinigte Abwasser hat im Winter eine Temperatur von 10 bis 15 Grad und im Sommer von 20 bis 24 Grad und damit eine ideale Restwärme für einen effizienten Betrieb.

Die Kältemaschinen stellen Kühlenergie her, die über ein separates Kältenetz verteilt wird, vornehmlich an die Gewerbebauten im nahen Industriegebiet. Zur Deckung von Spitzenlasten steht in der Energiezentrale ARA vorerst noch ein Heizölkessel zur Verfügung. Das Ziel ist jedoch, den Verbund mit 90 Prozent erneuerbaren Energien zu betreiben.

Die zweite Energiezentrale des Energieverbunds Fehraltorf wird auf dem Gelände der Abwasserreinigungsanlage erstellt. Bild: Gemeinde Fehraltorf

Der Kanton ist offen für konstruktive Lösungen

Neben Holz und Abwasser nutzt Fehraltorf als erste Gemeinde im Kanton zur Energiegewinnung auch Wasser aus einem kleinen Fliessgewässer. Eigentlich ist der Abfluss der Kempt mit rund 60l/sek dafür viel zu klein: Bisher galten 500l/sek als Minimum. Trotzdem hat das kantonale Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft AWEL eine entsprechende Konzession erteilt.

Möglich macht das eine besondere technische Konstellation: Auf Höhe der ARA befindet sich eine künstliche Absturzstelle der Kempt. Dadurch kann das Wasser oberhalb des Baches entnommen und gleich unterhalb wieder zugeführt werden ohne verbleibende Restwassermenge. «Das ist zum einen eine glückliche Fügung, hat uns zum anderen aber auch gezeigt, dass die kantonalen Stellen offen für konstruktive Lösungen sind», sagt Stefan Mathys. Mit der Energiegewinnung aus dem Bach alleine können künftig rund eine Million Liter Heizöl gespart werden.

Die ersten Wärmelieferungen aus dem Energieverbund sind für den 1. Oktober 2024 geplant. 

Zürioberland24/mb