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04.08.2023

Solaranlagen und Windkraft: Die Gemeinden werden entmündigt

Das Potenzial an PVA-Anlagen auf den Zürioberländer Dächern ist noch lange nicht ausgeschöpft. (Symbolbild)
Das Potenzial an PVA-Anlagen auf den Zürioberländer Dächern ist noch lange nicht ausgeschöpft. (Symbolbild) Bild: Pixabay: Maria Maltseva
Die Annahme des Klimaschutzgesetzes hat auch Auswirkungen auf die Energiepolitik im Zürcher Oberland. Einsprachen gegen grossflächige Solaranlagen und Windparks dürften kaum Chancen haben.

Das Volk hat gesprochen. Die Annahme des Klimaschutzgesetzes diktiert den Fahrplan zur CO2-Neutralität in der Schweiz unmissverständlich.

Bis 2050 sind Verbrennungsmotoren und fossile Energien Schnee von gestern – auch in den Gemeinden des Zürcher Oberlands: Auf den Dächern zwischen Pfäffikon und Rüti glänzen dann die PV-Anlagen flächendeckend in der Abendsonne, auf dem Bachtel drehen mächtige Windturbinen, in den Gärten surren die Wärmepumpen. Die Fahrzeuge der Gemeinden sind mit Elektromotoren unterwegs – und sogar die Greif, das älteste Dampfschiff der Schweiz, gleitet geräuschlos über den Greifensee.

Die Luft ist dann so klar und rein wie in einem menschverlassenen Seitental des Oberengadins nach einem erfrischenden Sommergewitter.

Noch ist die Energiewende ein Flickenteppich

Zukunftsmusik. Noch existiert die Energiewende erst als Flickenteppich. Zwar hat das Thema die Bevölkerung erreicht – und da und dort werden Solar-Anlagen auf den Dächern montiert. Doch diverse Energie-Verantwortliche auf den Gemeindeverwaltungen sagen das gleiche: «So lange es noch erlaubt war, haben auffällig viele Bürgerinnen und Bürger ihre Ölheizungen durch eine Anlage derselbenTechnologie ersetzt.»

Viel ungenutztes Potenzial auf den Dächern

Dies drückt auch eine kantonale Statistik aus, die in diesen Tagen publiziert wurde. Darin ist «vom grossen brachliegenden Potenzial der Solarenergie» die Rede.

Nur etwa jeder zehnte Neubau seit 2010 verfüge über eine Photovoltaik-Anlage. Dabei ist eine deutliche Differenz zwischen Hausbesitzenden und Mieterschaft festzustellen. Rund die Hälfte aller Zürcher PV-Anlagen befindet sich auf Einfamilienhäusern.

Gemäss dem Statistischen Amt waren Ende 2021 im Kanton Zürich mindestens 12’600 PVA-Anlagen installiert, die jährlich insgesamt rund 0,3 Terawattstunden Strom produzieren. Dies entspreche etwa dem Jahresstromverbrauch des Kantons Appenzell Ausserrhoden.

Zum Ziel gesetzt hat sich der Kanton 3,5 Terawattstunden pro Jahr, also knapp das Zwölffache der jetzigen Produktion. Bis das anvisierte Ziel erreicht ist, sei es «noch ein weiter Weg», gesteht auch der Kanton.

Zürioberland knapp über dem kantonalen Durchschnitt

Einen grossen Unterschied zwischen den einzelnen Regionen ist nicht auszumachen. Die Gemeinden des Zürcher Oberlands liegen mit einem Solarstrom-Anteil von 3,8 % nur knapp über dem kantonalen Durchschnitt.

2 Mia. Franken Subventionen

Geht es nach den Plänen von Kanton und Bund, ist dies eindeutig zu wenig. Zwar steht ein Verbot von Ölheizungen nicht zur Debatte. Doch durch die Annahme des Klimaschutzgesetzes werden Subventionen in der Höhe von zwei Milliarden Franken frei – vornehmlich für Besitzer:innen von grösseren Liegenschaften. Der Bundesrat und die Kantone werden in Verordnungen regeln, wie viel Einfamilienhausbesitzende bekommen und wieviel die Eigentümer grosser Mehrfamilienhäuser.

Von den neuen Klimaschutzgeldern profitieren soll nicht nur, wer seine fossile Heizung ersetzt, sondern auch Besitzer:innen von Elektroheizungen.

Die Gemeinden im Abseits

Die Energielobby betont immer wieder, dass die Bevölkerung nicht mit Verboten, sondern mit Anreizen zum Umstieg motiviert werden soll. Gleichzeitig diktieren Bund und Kantone aber Takt und Tarif – und haben beispielsweise das Bewilligungsverfahren für Windturbinen und grosse Solaranlagen abgekürzt und den Gemeinden so faktisch das Mitspracherecht entzogen.

Christoph Niederberger, Direktor des Schweizer Gemeindeverbands, kann damit nur schlecht leben: «Das Mitspracherecht der Gemeinden wird beschnitten. Dies ist nicht im Sinne der Demokratie.» Niederberger führt an, dass genau dieses Recht aber im Zentrum der Legitimation der Energiewende stehe.

Kommt der Windpark am Bachtel schneller als man denkt?

Für das Zürcher Oberland könnte dies beispielsweise bedeuten, dass sich die Idee eines Windparks am Bachtel eher früher als später konkretisieren könnte und dabei praktisch keine Rekursmöglichkeiten mehr bestehen.

Experten tappen im Dunkeln

So oder so wird die Energiethematik in den nächsten Jahren alle Bürgerinnen und Bürger betreffen – und dies bei wieder steigenden Strompreisen.

Und wie gross ist Gefahr einer Strommangellage im nächsten Winter? Sophia Siegenthaler, Mediensprecherin der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich, sagt kryptisch: «Dies hängt von diversen Faktoren ab: unter anderem vom Wetter und vom Füllstand der Speicher – wobei zum jetzigen Zeitpunkt für den kommenden Winter keine Prognose gestellt werden kann.» Oder mit anderen Worten: Die Energiewende kommt bestimmt. Aber in vielen Bereichen tappen auch die Experten noch im Dunkeln.

Stromlandschaft Schweiz

Hier kannst du den lokalen Standard-Strom in deiner Gemeinde prüfen:

www.stromlandschaft.mynewenergy.ch

Thomas Renggli